Die Sprache meines Körpers: Ein persönlicher Weg zwischen Selbstzweifeln, Körpersignalen und neuem Vertrauen
- Corinna Fleiß

- 15. Dez.
- 4 Min. Lesezeit
Aktualisiert: vor 5 Tagen

Ein Dezember der alles veränderte
Im Dezember 2022 begannen körperliche Zustände, die mir nicht neu waren, sich aber anders anfühlten als zuvor. Ich war zu dieser Zeit bei meinen Eltern. Es war kein einzelner Moment, sondern ein allmähliches Auftreten: innere Unruhe, Anspannung, ein Körper, der sich nicht mehr selbstständig regulierte.
Damals dachte ich noch: Das wird wieder. Ich nahm die Veränderungen wahr, aber ordnete sie ein als vorübergehend. Es gab Unsicherheit, aber auch Hoffnung.
Rückkehr nach Wien
Nach Weihnachten fuhr ich wieder nach Wien. In den folgenden Wochen wurde ich zweimal krank. Grippale Infekte, die meinen Körper stark beanspruchten und mir deutlich machten, wie wenig Kraftreserven vorhanden waren.
Zwischen Dezember und Februar bewegte ich mich in einem inneren Dazwischen: Ich funktionierte weiter, beruhigte mich selbst, versuchte, den Zuständen nicht so viel Bedeutung zu geben. Gleichzeitig wuchs die Angst, dass sich etwas verschiebt, dass ich nicht mehr kontrollieren konnte.
Februarmorgen in Wien
Im Februar kam es zu einem Morgen, der alles bündelte.
Es war sehr früh am Morgen, ich lag in meinem Bett. Das Fenster war weit geöffnet. Ich hatte kaum geschlafen. Mein Körper war angespannt, der Atem flach, die innere Unruhe konstant. Ich war alleine. Nach außen war alles ruhig. Innen war nichts mehr selbstverständlich.
In diesem Moment schrieb ich meinem Vater eine kurze Nachricht: Bitte hol mich ab.
Ich wusste, dass ich Wien verlasse. Ich wusste nicht, wie lange.
Was dieser Morgen sichtbar machte
Was im Dezember begonnen hatte, erreichte hier seine Grenze. Mein Körper machte deutlich, dass Weitermachen nicht mehr möglich war. Nicht als Schwäche, sondern als Schutz.
Rückblickend verstehe ich heute, dass nicht meine Tätigkeiten selbst belastend waren, sondern die Haltung, mit der ich ihnen begegnete: der innere Anspruch, alles fehlerfrei zu erledigen, und das lange Ignorieren eigener Bedürfnisse.
Nach Kärnten
Wenig später fuhr ich mit meinem Vater nach Kärnten. Ich ging nach Hause, nicht aus Resignation, sondern aus Vorsicht mir selbst gegenüber. Die Ungewissheit darüber, wie sich mein Zustand entwickeln würde, war groß – und gleichzeitig notwendig, um innezuhalten.
Der Hintergrund: Wer ich damals war
Ich lebte seit mehreren Jahren in Wien und erfüllte vieles, was ich mir vorgenommen hatte. Gleichzeitig begleitete mich seit meiner Jugend ein strenger Blick auf mich selbst. Bemerkungen, Erfahrungen und Situationen hinterließen Spuren, die ich lange unterschätzt hatte. Ich war überzeugt, manches bereits hinter mir gelassen zu haben. Mein Körper machte mir deutlich, dass noch etwas Aufmerksamkeit brauchte.
Die erste Zeit in Kärnten
In Kärnten begann eine Phase, die sich nicht wie eine Auszeit anfühlte, sondern wie ein notwendiges Innehalten. Ich hatte Angst und fand kaum Zugang zu meinem eigenen Erleben. Die körperlichen Signale waren so intensiv, dass mein Alltag zunehmend enger wurde.
In Kärnten wurde meine Mutter über Monate zu meiner wichtigsten Bezugsperson. Ich zog mich stark zurück, weil mein Körper kaum Spielraum ließ. Es folgte eine Zeit, die schwer in Worte zu fassen ist: Tage, an denen Aufstehen ein Kraftakt war, und Momente, in denen ich nicht wusste, wie ich den Tag gestalten sollte.
Auch die Nächte brachten wenig Erholung, weil die körperlichen Empfindungen selbst im Schlaf präsent blieben.
Eine Dunkelheit begleitete mich – und doch war der Gedanke aufzugeben nie da. Trotz allem blieb ein innerer Kern, der sagte: Das hat einen Sinn. Irgendetwas will gesehen werden.
Wenn innere Zustände Namen bekommen
Inmitten dieser Hilflosigkeit begann ich, meinen inneren Empfindungen Namen zu geben. Nicht, um sie zu verharmlosen, sondern um ihnen eine Stimme zu geben. Schmerz wurde Tobi. Angst wurde Frida. Mit ihnen konnte ich in Beziehung gehen – nicht als Feinde, sondern als Hinweise. Bis heute begleiten sie mich, ehrlich, manchmal unbequem, aber helfend.
Was diese Zeit mit mir machte
In dieser Phase wurde mir klar: Verbergen schützt nicht. Sichtbar werden verändert. Ich begann, das Schreiben wieder zuzulassen – etwas, das immer zu mir gehörte, aber nie einen Ausdrucksraum hatte. Und obwohl meine Symptome stark waren, entstand in mir ein leises inneres Aufrichten. Schreiben verband Innen und Außen. Es war der erste kleine Schritt zurück zu mir.
Der Beginn von LavendelGrün
Zwei Jahre später gründete ich meinen Blog LavendelGrün. Nicht als Ablenkung, sondern als Ausdrucksform – als Ort, an dem Worte Brücken bauen dürfen: zwischen Erleben und Verstehen, zwischen mir und anderen. Ich baute diesen Blog trotz intensiver Symptome auf. Ohne Vorkenntnisse. Ohne Unterstützung. Schreiben wurde zu meinem Weg zu Identität, Kreativität und Sinn.
Frühe Spuren: Ein Blick zurück
Meine Kindheit war geprägt von Lebensfreude und Selbstbewusstsein. Erst in der Jugend begann eine andere Phase. Mobbing war ein Auslöser – nicht die Ursache, das ist mir heute klar, aber der Moment, der alles verstärkte: Selbstzweifel, Rückzug, das Gefühl, falsch zu sein.
Daraus entwickelte sich ein Essverhalten, das mich viele Jahre begleitete: Hungern, Frieren, ein Körper in Protest. Ich suchte Orientierung in einem Innenleben, das sich chaotisch anfühlte. Erst viel später erkannte ich darin Muster – nicht bloß Symptome.
Innere Widerstandskraft – eine stille Form
Resilienz war für mich nie eine große Geste. Sie zeigte sich im Weitergehen. Viktor Frankl wurde in dieser Zeit eine wichtige Inspiration: die Idee, dass Weitergehen möglich ist, selbst, wenn der Weg unsichtbar wird.
Resilienz zeigte sich für mich darin,
Hilfe anzunehmen,
Vertrauen zu entwickeln,
Veränderung zuzulassen
und näher zu mir selbst zu finden statt höher hinaus.
Gegenwart – Drei Jahre später
Heute, fast drei Jahre später, hat mein Körper eine neue Sprache. Oder ich höre sie klarer. Ich erkenne schneller, wann Ruhe nötig ist. Ich nehme Signale ernst, ohne sie zu dramatisieren.
Tobi und Frida sind geblieben – nicht als Bedrohung, sondern als Orientierung. Ich akzeptiere, dass mein Leben intensive Phasen kennt und solche, die leicht und warm sind. Beides gehört zu meiner Geschichte.
Warum ich diese Geschichte teile
„Lebenswege“ soll Lebensgeschichten sichtbar machen. Dies ist die erste. Weitere werden folgen.
Ich schreibe,
weil Worte Räume öffnen,
weil so vieles unsichtbar bleibt, bis jemand es ausspricht,
weil Körper oft sprechen, bevor wir es tun,
weil Verletzlichkeit Raum verdient,
weil Geschichten verbinden.
Ein Satz, der bleibt
Ich habe gelernt, meinem Körper zuzuhören, bevor er ruft – und dass innere Widerstandskraft ein stilles Hinwenden zu sich selbst ist.
♡ Corinna
