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Liora und die Schatten der Anderen

  • Autorenbild: Corinna Fleiß
    Corinna Fleiß
  • 17. Nov.
  • 3 Min. Lesezeit

Aktualisiert: vor 22 Stunden

Ein Pfad durch Stille


Mädchen am geheimnisvollen Waldpfad

Es war einmal ein Mädchen namens Liora, das in einem kleinen Tal lebte, in dem die Sonne nur zögerlich schien.


Wohin sie auch ging, fielen lange Schatten über ihren Weg.

Sie lagen über den Steinen, glitten über das Gras, berührten ihre Füße, noch bevor sie einen Schritt setzen konnte.


Die Menschen im Tal begegneten ihr freundlich.

Trotzdem waren ihre Schatten größer als sie selbst.


Liora hatte gelernt, an ihnen vorbeizugehen.

Manchmal stolperte sie.

Manchmal hielt sie den Atem an, als könnte sie sich so unsichtbar machen.


Eines Tages bog sie auf einem schmalen Weg ab, der tief in den Wald führte.

Er war kaum zu erkennen, und niemand folgte ihr.


Der Wald lag still vor ihr.


Der Fuchs im Wald

Im Wald war es still, bis plötzlich ein rotgoldener Fuchs vor ihr auftauchte.

Er setzte sich auf den Weg, als hätte er auf sie gewartet.


„Liora“, sagte er, ohne dass sie ihm ihren Namen genannt hatte.


Sie blieb stehen. Ihre Hände zitterten leicht.


Der Fuchs sah sie lange an. Sein Blick war ruhig, fast prüfend.


Liora öffnete den Mund, als wollte sie etwas sagen, schloss ihn wieder.

Die Schatten lagen schwer zwischen den Bäumen.


Der Fuchs stand auf, trat einen Schritt zur Seite und machte den Weg frei.

Dann verschwand er zwischen den Stämmen, lautlos wie ein Gedanke.


Liora atmete aus.

Sie blieb noch einen Moment stehen –

dann setzte sie ihren Weg fort.


Der Spiegel im Fluss

Nach einer Weile erreichte sie einen glasklaren Fluss.

Das Wasser floss ruhig, kaum hörbar.


Ein silbrig glänzender Fisch tauchte aus der Tiefe auf.

Er hielt inne, als hätte er sie bemerkt, und betrachtete sie lange.


Liora trat näher an das Ufer.

Sie beugte sich über das Wasser – und wich zurück.


Der Fisch zog einen leisen Kreis – dann noch einen.

Das Wasser kräuselte sich.


Liora kniete sich hin.

Ihr Spiegelbild zerfiel, setzte sich neu zusammen.


Der Fisch glitt davon, lautlos, zurück in die Tiefe.


Liora blieb noch einen Moment stehen.

Dann richtete sie sich auf und ging weiter, dem Lauf des Flusses entlang.


Der Adler am Himmel

Hoch über ihr kreiste ein Adler.

Sein Ruf war kaum zu hören, so weit war er entfernt.


Als Liora weiterging, senkte er sich und ließ sich auf einem alten Felsen nieder.

Der Stein war hell vom Wind, glatt von der Zeit.


Der Adler sah sie an.

Sein Blick war wach, unbewegt.


Liora blieb stehen.

Der Weg unter ihren Füßen war schmal, kaum zu erkennen.


Der Adler spannte die Flügel.

Einen Augenblick hielt er die Luft an sich.

Dann stieg er auf und verschwand im Himmel.


Sein Schatten glitt kurz über Lioras Gesicht.

Er war leicht und schon im nächsten Moment fort.


Das Reh im offenen Feld

Am Rand des Waldes trat ein Reh aus dem hohen Gras.

Es blieb stehen und sah Liora kurz an.


Nach einer Weile machte es einen Schritt auf sie zu.

Noch einen.


Seine Nase berührte kurz ihre Hand.

Sie war warm.


Liora hielt still.

Ihr Atem ging flach, dann ruhiger.


Das Reh hob den Kopf,

musterte sie ein letztes Mal

und trat zurück.


Es ließ einen weiten Raum zwischen ihnen.

Dann wandte es sich ab und verschwand im offenen Feld.


Der Weg

Liora ging weiter, bis sich der Wald lichtete.


Das Feld lag offen vor ihr.

Die Sonne wärmte den Boden unter ihren Füßen.


Der Weg zog sich in die Ferne.


Schatten lagen noch auf dem Pfad.

Sie begleiteten sie, ohne sich vorzudrängen.


Liora blieb einen Moment stehen.

Dann ging sie weiter.



Nachklang

Diese Geschichte ist in einer Zeit entstanden, in der Wege nicht klar waren und Schatten lange blieben.

Beim Schreiben ging es weniger um Antworten als um das Weitergehen selbst. Liora ist mir dabei leise vorausgegangen.


♡ Corinna

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