Schuldgefühle: Wenn wir uns selbst nicht verzeihen können
- Corinna Fleiß

- 29. Sept.
- 2 Min. Lesezeit
Aktualisiert: vor 14 Stunden

Schuldgefühle als stilles bohrendes Empfinden
Es gibt Erlebnisse, die lange in uns nachklingen. Situationen, in denen wir anders handeln wollten – aber nicht konnten. Worte, die wir nicht ausgesprochen haben. Entscheidungen, die wir getroffen oder vermieden haben. Und irgendwann, vielleicht erst Jahre später, taucht ein Gefühl auf, das sich kaum abschütteln lässt: Schuld.
Nicht im rechtlichen Sinn, sondern ganz still, innerlich. Ein bohrendes Empfinden, das sagt: Ich hätte es besser wissen müssen. Ich hätte anders reagieren müssen. Ich war schuld.
Wenn Schuldgefühle bleiben
Viele Menschen erzählen von einem ähnlichen Schmerz: Sie geben sich selbst die Schuld für das, was schiefgelaufen ist. Für Beziehungen, die zerbrochen sind. Für Worte, die nicht gesagt wurden. Für Grenzen, die sie nicht gezogen haben. Für Verluste, auf die sie keinen Einfluss hatten – und dennoch Schuld empfinden.
Vor allem dann, wenn sie von anderen noch zusätzlich Vorwürfe bekommen haben – offen oder unausgesprochen – wird es schwer, das eigene Empfinden einzuordnen. Die Schuld scheint sich festzusetzen wie ein Schatten. Und oft bleibt sie dort, wo ein echter Abschluss fehlt.
Schuldgefühle sind dabei nicht immer ein Zeichen tatsächlicher Schuld, sondern häufig ein innerer Versuch, Ordnung in etwas Unabgeschlossenes zu bringen.
Beobachtungen aus dem Erleben von Schuld
Einige wiederkehrende Beobachtungen:
In manchen Rückblicken glauben wir, mehr Kontrolle gehabt zu haben, als tatsächlich möglich war.
Nicht selten bewerten wir Vergangenes mit dem Wissen von heute.
Mitunter verwechseln wir Verantwortung mit Schuld.
Manche halten fest, was längst vorbei ist, weil der Schmerz noch keine Sprache gefunden hat.
Manchmal ist es auch eine Form, mit einem Verlust verbunden zu bleiben. So, als würde das Schuldgefühl die letzte Verbindung zum Erlebten aufrechterhalten.
Behutsame Annäherungen an Schuldgefühle
Nicht jedes Gefühl lässt sich einfach „loslassen“. Und es geht auch nicht darum, alles sofort zu verzeihen.
Manche erleben es jedoch als entlastend, genauer hinzusehen: den Ursprung zu verstehen und die eigene Geschichte mit mehr Milde zu betrachten.
Typische innere Stimmen bei Schuldgefühlen können sein:
„Ich hätte es wissen müssen.“
„Wenn ich anders reagiert hätte, wäre es nicht so gekommen.“
„Das geht auf meine Kappe.“
Gedanken, die helfen können, Schuldgefühle anders zu betrachten:
Manchmal entsteht der Gedanke, damals so gehandelt zu haben, wie es in diesem Moment möglich war.
Es ist gut, wie es heute ist – das Vergangene darf ruhen.
Ich bin nicht nur das, was schiefgelaufen ist.
Ein Blick auf dein inneres Kind
Oft tragen wir Schuldgefühle, die nicht aus unserem heutigen Leben stammen. Manche haben ihren Ursprung in frühen Erfahrungen: in Momenten, in denen Verantwortung übernommen wurde, obwohl Überforderung oder Hilflosigkeit im Vordergrund standen.
Schuldgefühle können sich dort gebildet haben, wo sie damals eine Form von Orientierung oder Bindung waren – und sind vielleicht geblieben, obwohl sich die Lebensumstände längst verändert haben.
♡ Corinna
Literaturempfehlungen
Stephan Marks: Scham – die tabuisierte Emotion
Alain Ehrenberg: Das erschöpfende Selbst
