Selbstakzeptanz: Annäherungen an einen ruhigen Umgang mit sich selbst
- Corinna Fleiß

- 3. Nov.
- 5 Min. Lesezeit
Aktualisiert: vor 2 Tagen

Selbstakzeptanz – Meine stille Reise zu mir selbst
Ich weiß nicht genau, wann meine Reise begann. Vielleicht war ich schon immer unterwegs, ohne es zu bemerken. Eines Tages wurde mir klar: Ich will ankommen – nicht irgendwo, sondern in mir selbst.
Vielleicht kennst du dieses Gefühl auch – das Bedürfnis endlich bei dir selbst anzukommen.
Heute weiß ich: Was ich damals begann, war der Weg zur Selbstakzeptanz – ein Weg, den viele von uns unbewusst schon längst gehen.
Am Anfang fühlte es sich so an, als würde ich durch einen dichten Nebel wandern. Jeder Schritt war unsicher. Alte Stimmen aus der Vergangenheit flüsterten: „Du bist nicht genug”, „Du musst anders sein.“ Doch mit jedem Schritt wurde das Flüstern leiser. Der Nebel lichtete sich langsam.
Irgendwann stand ich vor einem stillen See und blickte in mein Spiegelbild – all die Seiten, die ich ablehnte. Doch während ich zusah, bewegte sich das Wasser. Das Licht spiegelte auf der Oberfläche. Da wurde mir klar: Ich bin nicht nur das, was ich nicht mag. Ich bin Bewegung, Veränderung, Licht und Schatten zugleich.
Mit diesem Gedanken ging ich weiter.
Ich durchquerte eine karge Wüste und lernte, mit dem auszukommen, was ich hatte. Dabei entdeckte ich, dass ich mehr aushalte, als ich dachte. Später erreichte ich eine blühende Wiese, auf der ich einfach blieb – ohne zu fliehen, ohne mich zu hinterfragen.
Unterwegs begegnete ich Menschen, die mir wie Spiegel waren. In ihren Worten und Blicken sah ich Seiten von mir, die ich selbst oft übersehen hatte: meine Stärke, meine Sanftheit, meine Einzigartigkeit.
Es gab Momente, in denen ich dachte, angekommen zu sein. Doch ich lernte: Die Reise endet nie. Und das ist kein Versagen, sondern ein Geschenk. Jeder Tag ist eine neue Etappe, ein weiterer Schritt zur Selbstakzeptanz.
So gehe ich weiter. Nicht mehr auf der Suche nach einem Ziel, sondern um mich selbst immer wieder neu zu entdecken – mit allem, was ich bin.
In diesem Beitrag möchte ich mit dir teilen, was Selbstakzeptanz für mich bedeutet, warum sie oft so schwerfällt – und wie sich mein Blick auf mich selbst dabei verändert hat.
Selbstakzeptanz: Für mich ein Weg, kein Ziel
Meine Reise zeigt mir: Selbstakzeptanz ist kein Ziel, das ich irgendwann einfach erreiche. Sie ist ein Weg – oft uneben, manchmal still, manchmal herausfordernd.
So wie ich durch verschiedene Landschaften gegangen bin, erlebe ich auch Phasen voller Zweifel, Momente des Innehaltens und Verstehens. Jeder Schritt bringt mich ein Stück näher zu mir selbst.
Aber was bedeutet Selbstakzeptanz eigentlich? Und warum fällt sie uns manchmal so schwer?
Selbstakzeptanz aus psychologischer Sicht
Wissenschaftlich betrachtet ist Selbstakzeptanz ein häufig genannter Aspekt für unser psychisches Wohlbefinden. Die Psychologin Kristin Neff zeigt, dass sie eng mit Selbstmitgefühl verbunden ist: Wer sich mit Mitgefühl begegnet, kann auch seine Unvollkommenheiten annehmen.
Studien weisen darauf hin, dass Menschen, die sich selbst mit Wohlwollen betrachten, besser mit Herausforderungen umgehen und eine höhere Lebensqualität erfahren.
Doch Selbstakzeptanz bedeutet nicht, alles an sich gut finden zu müssen. Es geht vielmehr darum, sich selbst als Ganzes zu sehen – mit Licht und Schatten, mit Stärken und Begrenzungen.
Gerade in schwierigen Zeiten, in Phasen des Rückzugs oder der Erschöpfung, scheint Selbstakzeptanz oft weit weg. Doch genau dann kann sie zu einer stillen Kraft werden. Sie öffnet den Raum für Selbstfürsorge – dafür, freundlich mit sich umzugehen, anstatt sich unter Druck zu setzen.
Denn wer lernt sich selbst anzunehmen, kann auch besser spüren, was Körper und Geist brauchen. Und genau hier beginnt der nächste Schritt: zu verstehen, wie eng Selbstakzeptanz und Selbstfürsorge miteinander verbunden sind – auch auf körperlicher Ebene.
Warum Selbstakzeptanz oft so schwer fällt
Ich kenne meine innere Kritikerin gut. Sie taucht immer wieder auf, besonders in Momenten, in denen ich mich unsicher oder erschöpft fühle. Sie flüstert mir zu: „Du bist nicht genug“, „Das passt nicht“ oder „Warum schaffst du es nicht wie andere?“ Heute weiß ich, dass sie ein Teil von mir ist – nicht, um mich zu bremsen, sondern um auf alte Erfahrungen und Prägungen hinzuweisen, die mein Verhalten und Denken beeinflusst haben.
Vielleicht kennst du diese Stimme auch. Sie meldet sich, wenn du dich vergleichst, wenn du denkst, du müsstest „besser“ sein – schneller, schöner oder erfolgreicher.
Viele dieser Gedanken sind nicht neu. Sie stammen aus Situationen, in denen wir gelernt haben, wie wir sein „sollten“ – geprägt durch Worte, Blicke, Erwartungen anderer oder gesellschaftlichen Druck. Wir übernehmen sie oft unbewusst und beginnen, uns selbst durch ihre Augen zu sehen.
Wir alle kennen Momente, in denen Selbstakzeptanz schwerfällt. In denen wir uns fragen, ob wir genug sind, ob wir richtig handeln oder ob wir gefallen. Dieses innere Ringen beeinflusst nicht nur unsere Gedanken, sondern auch unseren Körper.
Unser Nervensystem reagiert auf dauerhafte Selbstkritik und Stress, als wäre eine Gefahr präsent. Wir spannen uns an, der Herzschlag beschleunigt sich, die Atmung wird flacher. Hier spielt der Vagusnerv eine zentrale Rolle: Er verbindet Gehirn, Herz, Lunge und Verdauung und steuert, wie sicher oder alarmiert wir uns fühlen. Aktiviert er den parasympathischen Anteil, fördert er Ruhe und Entspannung. Unter Dauerstress oder intensiver Selbstkritik kann diese Regulation aus dem Gleichgewicht geraten, sodass Körper und Geist in einem anhaltenden Alarmzustand bleiben. Wir fühlen uns unruhig, angespannt oder blockiert.
Der belgische Mediziner Luc Swinnen beschreibt in seinem Buch Der Vagusnerv-Effekt, wie eng unsere Selbstwahrnehmung, innere Ruhe und körperliche Regulation miteinander verknüpft sind. Eine freundlichere innere Haltung wird in diesem Zusammenhang oft als entlastend beschrieben. Selbstakzeptanz ist also nicht nur ein mentaler Prozess – sie wirkt sich auf den ganzen Körper aus und lässt sich physisch spüren.
Wie sich Selbstakzeptanz zeigen kann
Selbstakzeptanz wächst nicht auf einmal. Sie entsteht in kleinen Momenten – oft leise, manchmal unscheinbar. Immer dann, wenn wir innehalten und uns selbst nicht mehr verändern, sondern einfach wahrnehmen.
Selbstfürsorge als innere Haltung: Selbstfürsorge beginnt dort, wo wir uns selbst zuhören. Vielleicht spürst du, dass du eine Pause brauchst, einen Spaziergang, ein Glas Wasser oder einfach ein paar tiefe Atemzüge. Selbstfürsorge heißt, ernst zu nehmen, was du brauchst – ohne dich dafür zu rechtfertigen.
Der Atem im Erleben von Ruhe: Der Atem kann ein stiller Anker sein. Wenn du dich überfordert fühlst, atme langsam ein und aus. Spüre, wie sich dein Atem mit jedem Atemzug beruhigt. Diese Momente bringen dich zurück zu dir – zu einem Gefühl von Sicherheit und Ruhe.
Bewegung und Körperwahrnehmung: Selbstakzeptanz zeigt sich auch darin, wie wir uns bewegen. Nicht, um etwas zu leisten, um uns zu spüren. Eine kurze Dehnung am Morgen, ein Spaziergang im Regen, Tanzen im Wohnzimmer – all das kann helfen, um dich in deinem Körper wieder zuhause zu fühlen.
Beziehung und Spiegelung: Wir lernen uns oft besser kennen, wenn wir mit anderen in Verbindung sind. Ein ehrliches Gespräch, ein gemeinsames Lachen oder einfach das Gefühl gesehen zu werden – das alles erinnert uns daran, dass wir nicht alleine sind.
Kleine Gesten, große Wirkung: Manchmal ändert sich etwas in uns, ohne dass wir es sofort bemerken. Wenn wir beginnen, freundlich mit uns zu sprechen. Wenn wir uns nicht für unsere Gefühle entschuldigen. Wenn wir bleiben – auch dann, wenn es unbequem ist.
Selbstakzeptanz lässt sich nicht erzwingen. Sie wächst, wenn wir uns selbst mit Geduld und Offenheit begegnen. Mit jedem Atemzug, jedem bewussten Schritt und jedem freundlichen Gedanken entsteht ein Stück mehr Vertrauen – in uns, in das Leben und in den Weg, den wir gehen.
Manchmal zeigt sich Selbstakzeptanz leise – nicht als Antwort, sondern als Moment.
♡ Corinna
Literaturempfehlungen
Kristin Neff: Selbstmitgefühl
Luc Swinnen: Der Vagusnerv-Effekt
